Iaşi (gesprochen Jasch) ist mit knapp 310.000 Einwohnern die
viertgrößte Stadt in Rumänien. Sie liegt im Nordosten des Landes, ca.
20km von der Grenze zur Republik Moldawien entfernt.
In einem
ausführlichen Interview mit Syndikalismus.tk berichten die GenossInnen
über die Demonstration, die Situation der anarchistischen Bewegung im
Land und über die vielfältigen Schwierigkeiten, mit denen sie
konfrontiert sind. An dieser Stelle noch mal ein herzliches Dankeschön
an die GenossInnen in Iaşi für das Interview. Traiasca Anarhia!
Von der anarchistischen Bewegung in Rumänien hört man leider nur wenig.
In Iaşi organisierten GenossInnen der Actiunea Antifascista (der
Antifaschistischen Aktion) sowie der Federatia Anarhista (der
Anarchistischen Föderation) eine Demonstration am 9. November „gegen
Faschismus, Rassismus und alle Formen der Diskriminierung.“ An der
Demonstration beteiligten sich bis zu 50 Personen. Sie war die einzige
Demonstration dieser Art in diesem Jahr in Rumänien.
Iaşi
(gesprochen Jasch) ist mit knapp 310.000 Einwohnern die viertgrößte
Stadt in Rumänien. Sie liegt im Nordosten des Landes, ca. 20km von der
Grenze zur Republik Moldawien entfernt. Anarchistische Spuren finden
sich dort seit dem beginnenden 20. Jahrhundert. Anarchistische
Schriften wurden hier herausgegeben und im Land verbreitet. U.a. wurde
hier auch am 2. März 1895 der bekannte Vertreter des gewaltfreien
Anarchismus, Eugen Relgis (eigentlich Eugen Sigler) geboren.
In
einem ausführlichen Interview mit Syndikalismus.tk berichten die
GenossInnen über die Demonstration, die Situation der anarchistischen
Bewegung im Land und über die vielfältigen Schwierigkeiten, mit denen
sie konfrontiert sind. An dieser Stelle noch mal ein herzliches
Dankeschön an die GenossInnen in Iaşi für das Interview. Traiasca
Anarhia!
„Die Antifa- und die anarchistische Bewegung in Iaşi sind nahezu dasselbe“ – Interview mit AnarchistInnen aus Iaşi (Rumänien)
Syndikalismus.tk:
Ihr habt am 9.11.2009 eine Demonstration in eurer Stadt, in Iaşi, gegen
„Faschismus, Antisemitismus und alle Formen der Diskriminierung“
durchgeführt. Wie verlief die Demonstration? Konntet ihr eure
Auffassungen unter der Bevölkerung bekannt machen und wie verhielt sich
die Polizei?
Actiunea Antifascista: Als allererstes müssen wir
sagen, das es hier in Rumänien wirklich Schwierig ist, eine
Demonstration, speziell eine Demonstration gegen Rassismus und
Diskriminierung zu organisieren. Du musst deine Gründe dafür, warum du
diese Demo organisierst, sehr gut zu vermitteln wissen, und dies ist
sehr bizarr da du viel über Rassismus, die Zigeuner, die ungarische
Minderheit, die Neo-Legionäre reden und debattieren musst. Du musst
sehr gut erläutern weshalb Menschen die Demo unterstützen sollen. Ich
meine dass wir denken, das eine im Kopf Gesunde Person eigentlich keine
zusätzlichen Erklärungen benötigen würde, warum er/sie uns unterstützen
sollte.
Im Ablauf der Organisation dieser Demo mussten wir
zwei Wochen vor dem 9. November auf das Rathaus, die Hauptpolizeiwache
und zur Gendarmerie (eine Art polizeiliche „Schnelle
Einsatz-Schläger-Truppe“. In etwa vergleichbar mit der
Bereitschaftspolizei in Deutschland, aber militärischer organisiert.
Anm. Syndikalismus.tk) um dort genau den jeweils gleichen Antrag zu
stellen, damit diese unseren Marsch genehmigen können. Wir haben diesen
Antifa-Blog zusammengestellt www.actiuneaantifascista.blogspot.com und
haben dort einige Infos über faschistische Tendenzen in unserem Land,
die Gefahr die von der Kirche ausgeht, die Medien und den Staat
veröffentlicht. Wir haben hunderte von Flugblättern verteilt, brachten
eine Menge Ankündigungen an den Straßen und in den Universitäten an und
verschickten zig E-Mails. Wir gingen sogar zur Jüdischen Gemeinde in
unserer Stadt und luden sie zu unserem Marsch ein. Doch nur ein
einziger Mann von ihnen kam und unterstütze uns.
Auf der Demo
waren wir leider nur zwischen 40-50 Leuten. Doch wir hatten 12 Plakate
und ein großes Transparent, das von zwei Personen getragen wurde, zwei
schwarz&rote anarchistische Fahnen, und eine große Antifa Fahne
(welche wir diesen Sommer in Berlin gekauft hatten). Weiterhin hatten
wir zwei große schwarze Transparente mit roter Aufschrift. Auf ihnen
stand: „Solidarität mit den Arbeitern aus China und Bangladesh“ (wir
haben einige asiatische ArbeiterInnen in unserer Stadt) und „Rassismus
ist die krankhafteste Bedrohung des Menschen gegen den Menschen – Das
Maximum an Hass für ein Minimum an Grund“. Wir hatten auch ein Megaphon
welches sich als sehr nützlich und laut herausstellte und spielten
einiges an Musik – Alerta Antifascista/Sin Dios, Keny Arkana- la rage
und einiges an rumänischer Anarcho-Punk Musik (The terror art band).
Wir verteilten eine Menge Flugblätter und es hatte den Anschein dass
die Menschen auf den Strassen uns freundlich gesonnen waren. Einige
sagten uns das es eine gute Idee (mit der Demo) ist, das wir aber einen
Brief an Corneliu Vadim Tudor, den Führer der PRM
(Groß-Rumänien-Partei. Anm. Syndikalismus.tk) schicken und ihn darin
verarschen sollten. Da waren aber auch ein paar Typen die mit einem
noblen Auto nah an uns heranfuhren und sie schrieen uns zu: „Heeey…was
läuft verkehrt mit euch? Geht nach Haaaause“.
Die Polizei
verhielt sich nicht wirklich korrekt uns gegenüber. Da waren die Leute
die Transparente und Plakate auf der linken Seite der Demo trugen und
zwei Polizeiautos fuhren exakt neben ihnen her, und das so, daß es
zeitweise für die Leute auf der gegenüberliegenden Straßenseite
unmöglich war die Plakate zu lesen. Ein Bulle kam zu mir und sagte mir
„es ist nicht erlaubt“ auf die Plakate „Fuck Hitler! Fuck Stalin! Fuck
Corneliu Zelea Codreanu!“ zu schreiben. Doch ich hörte nicht auf ihn
und so war seine Aufforderung vergebens. Sie versuchten auch uns
gegenüber besonders cool aufzutreten, sprachen sehr schnell, erwähnten
einige Gesetze und andere Dinge doch sie blickten schließlich wie
Verlierer drein, als wir ihnen einige ausgedruckte Gesetzestexte
zeigten und ihnen so zu verstehen gaben, das wir genau wussten was wir
taten. Nach der Demo sah ein Genosse von uns einen Mann ein Hotel mit
einem grünen T-Shirt mit der Aufschrift POLIZEI betreten. Genau, es war
ein deutscher Bulle. Doch wir wissen nicht weshalb er hier in Rumänien
so gekleidet war.
Die Medien wirkten nicht so sehr an unserer
Demo interessiert. Nur zwei TV-Programme kamen her und nur eine Zeitung
rief uns an. Wie auch immer, wir verweigerten ihnen gegenüber
Interviews, denn sie hatten das ganze Jahr über eine Menge
rassistischer Meldungen veröffentlicht, sie präsentierten eine Menge
übelster News gegen Zigeuner, sie assoziieren das Wort Anarchie mit
Krankheit, mit Katastrophen und, natürlich, mit Chaos. So verließ ein
TV-Team die Demo, doch das andere schien wirklich an der Demo
interessiert zu sein. Und sie haben dann auch wirklich gute Dinge über
uns in ihren Nachrichten berichtet. Sie haben zwei Passanten auf der
Strasse interviewt, die sehr enthusiastisch über unsere Aktion
sprachen, und sie interviewten eine Genossin aus Frankreich. Auch die
Zeitung (Buna Ziua Iaşi (Guten Tag Iaşi). Anm. Syndikalismus.tk)
berichtete gut über uns.
Syndikalismus.tk: Wie ist die
Situation in Rumänien mit Neonazis (genauer Neolegionären) und
Faschisten? Sind diese öffentlich präsent und aktiv? Was denkt ihr, wie
sie gestoppt werden können?
Actiunea Antifascista: Das Problem
mit dem Faschismus in Rumänien ist, das nahezu jeder faschistische
Gedanken hat. Wenn du jemanden auf der Strasse fragst „bist du ein
Faschist?“, wird er/sie sagen „nein, natürlich nicht, was zum Teufel“,
doch „was denkst du über die Zigeuner oder die Ungarn, oder über
Homosexuelle?“ er/sie sagt „Ich kann keine Verbindung zwischen
Faschismus und den Zigeunern erkennen. Hitler ist eh tot, so gibt es
also auch keinen Faschismus mehr. Und, über die Zigeuner. Ich hasse
diese Scheiss-Leute, verbrennt sie, schmeißt sie aus dem Land heraus,
lasst sie für uns arbeiten. Die Ungarn sollten lernen rumänisch zu
sprechen, denn das hier ist Rumänien, nicht Ungarn, wenn sie das nicht
wollen sollen sie nach Ungarn gehen. Und die Homosexuellen sind der
letzte Dreck. Erschießt sie!“. Es ist nahezu ausgeschlossen jemanden zu
treffen der die Zigeuner nicht hasst. Die Medien sind auch daran
Schuld.
Es scheint so als ob die Neonazis und die
Neo-Legionäre nicht wirklich eine gute Beziehung untereinander haben.
Gewöhnlich hassen sie sich, es kam sogar zu kämpfen unter ihnen – denn
die meisten Neonazis sind Atheisten und „Noua Dreapta“ (ND) (Neue
Rechte – Neo-Legionäre) sind christlich. Doch einige Neonazis
unterstützten eine Demonstration von ND in Bukarest. Es gibt eine große
Anzahl von Neonazis unter den Fußballfans aus Temeswar und Bukarest,
und eine Menge von ihnen gibt es auch in Bacau (nahe Iaşi!). Doch es
gibt mehr Neo-Legionäre als Neonazis. Die „Neue Rechte“ (Noua Dreapta),
die neolegionäre Organisation, ist sehr aktiv in Bukarest, Cluj,
Temeswar und Galaţi (Galatz). In Iaşi sind sie nur um die 20-30 Leute,
aber es gibt hier eine Menge Rocker die sie unterstützen, die aber
nicht mit allen von ihren Ideen übereinstimmen. Der Führer von Noua
Dreapta ist ein Rechtsanwalt aus Bukarest, er ist um die 30 Jahre alt.
Eine Menge ND-Mitglieder sind um die 30 Jahre alt, haben Familien und
Kinder, doch es gibt auch einige fette Skinheads, im Alter so um die 25
Jahre.
Die Antifa-Demo in Iaşi war die einzige Antifa-Demo im
ganzen Land! In allen anderen Städten haben Antifas und AnarchistInnen
Probleme mit der ND, spezieller jedoch mit dem SRI („Serviciul Roman de
Informatii“, dem rumänischen Informations Dienst.) (Rumänischer
Innlandsgeheimdienst, Anm. Syndikalismus.tk). Wir denken das die ND vom
SRI unterstützt wird. Als ein Beispiel: im Jahr 2008, als einige
Bukarester AntifaschistInnen zum Rathaus gingen um die Genehmigung für
einen antifaschistischen Marsch zu bekommen, war der ND-Führer bereits
im Rathaus und lachte sie aus. Sie erhielten keine Genehmigung für den
Marsch, sie erhielten nur eine Erlaubnis für eine stationäre
Kundgebung, mussten auf einem kleinen Platz stehen und jeder der dazu
kam wurde angehalten und von der Polizei durchsucht.
Die ND
ist sehr aktiv. Sie machen eine Menge Aktionen und es sieht so aus, als
ob sie auch eine Menge Geld haben. Möglicherweise von der Forza Nuova
aus Italien und von der NPD aus Deutschland. Es sieht so aus das sie
alle in einer guten Beziehung zueinander stehen. Sie sind sehr
populistisch, besonders im letzten Jahr. Ich denke sie sind nicht so
viele als zu ihrem Beginn im Jahr 2000. Am 24. Januar 2010 werden sie
möglicherweise nach Iaşi kommen – alle von ihnen. Sie waren auch dieses
Jahr hier und tranken auf den Strassen (In Rumänien ist es nicht
erlaubt auf den Strassen zu trinken) und waren sehr laut. Sie
entdeckten einen unserer Genossen, einen Anarchisten, und schrieen ihn
an „Hey, du Kommunist!“. Doch glücklicherweise konnte er aus dieser
Gegend entkommen. Sie übermalten auch eine Menge an Graffiti und
Parolen an den Wänden in der Innenstadt – und das bei Tageslicht! Und
wenn wir ein Graffiti anfertigen wollen müssen wir es Nachts tun,
müssen sehr vorsichtig sein, besonders weil einer von uns von der
Polizei zusammengeschlagen wurde, nachdem er ein Graffiti nahe der
Polizeiwache angebracht hatte. Das Schlimmste daran ist, das die
Polizei wirklich erwartete das er das Graffiti anbringt. Sie waren mit
5 Streifenwagen in der Gegend und warteten auf ihn und wussten schon im
voraus seinen Namen und seine Adresse.
Doch das witzigste
passierte als wir um 12.00 Uhr den Treffpunkt für die Demo erreichten.
Denn, ein Neolegionär – ein wirklich geistig behinderter – kam auch
dort hin. Er hatte ein kleines Pappschild dabei auf welchem Stand:
„Gott ist der Herr unseres Landes. Lang lebe die Legion und der
Capitan.“ Die Legion bezieht sich auf die Faschisten aus der
Zwischenkriegszeit in unserem Land, der Capitan (Corneliu Zelea
Codreanu) war ihr Führer. Wir alle schrieen ihn an und ich versuchte
ihn zu schlagen, doch die Polizei war auch da. Er begann panisch zu
werden und forderte die Polizisten auf, mich zu verhaften, da ich zu
ihm sagte er solle „zu den Göttern seiner Mutter“ gehen. In Rumänisch
klingt das sehr lustig und ist nicht gerade freundlich. Doch die
Polizei hatte selber Schiss, denn wir waren alle maskiert, schwarz
gekleidet und schrieen. Sie brachten den Faschisten fort und dann
begannen wir unseren Marsch. Es war wirklich etwas Bizarres an diesem
Faschisten. Du wirst über ihn lachen. Wir alle glauben dass er
wirkliche seriöse mentale Probleme hat. Geistig verwirrt, wirklich ein
Kamikaze-Kerl.
Ich denke, mindestens in Iaşi, haben wir jedes
ND-Mitglied niederzuschlagen und ihre Nachbarschaften mit
antifaschistischem Graffiti zu terrorisieren. Und wir brauchen
entschieden mehr AnarchistInnen.
Syndikalismus.tk: Viele
Demonstrationen richten sich „gegen“ etwas. Was sind die Ziele von
Actiunea Antifascista? Welche Form von Gesellschaft wollt ihr
erreichen?
Actiunea Antifascista: Hm, ich denke das ist die
schwierigste Frage. Wir sind nicht wirklich eine homogene Gruppe. Und
wenn ich über unsere politischen oder philosophischen Überzeugungen
spreche, dann ist es etwas schwer für mich auch für alle anderen zu
sprechen.
Es gibt einige Neo-Marxisten, einige
Anarcho-Kommunisten, einige Anarcho-Individualisten, einige
Anarcho-Primitivisten, einige von uns sind einfach Antifas, einige von
diesen sind Antikapitalisten und Anti-Kriegs-Aktivisten, einige sind
Anarcha-Feministinnen. Als Beispiel: Ich bin Anarchist, ich glaube
wirklich an den Anarcho-Kommunismus und auch an Anarcho-Primitivismus.
Viele von uns sind Vegetarier und einige sind vegan.
Doch die
meisten von uns sind überzeugt das Actiunea Antifascista (die
antifaschistische Aktion) die Neue Rechte und die Kirche zerschlagen
will, das sie einige direkte Aktionen gegen die pro-faschistischen
Medien unternimmt, ein Bewusstsein über die Gefahr des Rassismus
schafft und einiges an Informationen verbreitet. Denn hier gibt es
einen großen Mangel an wirklichen Infos über Antikapitalismus,
Anarchismus, Antifaschismus.
Ich weis wirklich nicht in
welcher Art von Gesellschaft die anderen Leben möchten, doch ich bin
mir Sicher die Gesellschaft wäre ohne Kapitalismus, ohne
Parlamentarismus, ohne Klassen, ohne Umweltverschmutzung und ohne
Faschismus.
Als ein Beispiel: Ich bin Anhänger von Proudhons
Idee, dass eine Revolution Jahrhunderte an Vorbereitung benötigt, bis
sie gemacht werden kann, denn die Menschen müssen sich ändern. Doch ich
warte nicht nur darauf dass sie sich verändern oder warte auf das
Eintreten der großen Revolution. Ich glaube an die tägliche Revolution
im Alltag, in Form der Direkten Aktion. Ich wünsche mir zu sehen wie
alle diese „Zivilisationen“, alle Staaten, alle Kirchen, alle
Polizeistationen, alle Armeen, alle faschistischen Organisationen, alle
Schulen zerstört werden. Ich bin überzeugt das AnarchistInnen gesunde,
stabile Gemeinschaften/Gesellschaften entwickeln können. Doch ich
glaube nicht das andere Menschen so enthusiastisch über Anarchie sind.
Einige haben eine echte Sklavenmentalität, das ist der Grund warum ich
an Proudhons Theorien glaube. Diese Menschen brauchen eine lange Zeit
bis sie sich selber verändern können. Sie haben sich weit von ihrer
Natur fortentwickelt, von ihren Instinkten. Wenn sie nun jemand frei
lassen würde, wären sie wie ein wildes Tier, das sein ganzes Leben über
in einen Käfig gesperrt war. Und wenn es nun hinaus in die Wildnis geht
sehr geschwächt ist und möglicherweise stirbt.
Das ist der
Grund warum ich nicht an Ideologien glaube, denn diese beanspruchen für
jeden zu entscheiden was der beste Weg zu Leben ist und ich betrachtete
Anarchismus nicht als eine Ideologie. Anarchismus bedeutet nicht
darüber zu entscheiden, was die beste Lösung für alle Individuen auf
der Welt ist, sondern darüber zu entscheiden, was das Beste ist, wenn
es keine beste Lösung für alle gibt, weil es keine gute Regierung gibt.
Anarchismus bedeutet Direkte Aktion, freie Initiative des Individuums.
Aber, natürlich ist es hier nicht der Punkt alle anarchistischen Theorien darzustellen, da ihr sie selber alle kennt.
Syndikalismus.tk:
Erfreulicherweise ist in eurem Logo die schwarze Fahne die größere. Wie
steht ihr zur anarchistischen Bewegung? Gibt es in Iaşi anarchistische
oder anarcho-syndikalistische Gruppen?
Actiunea Antifascista:
Die Antifa- und die anarchistische Bewegung in Iaşi sind nahezu
dasselbe. Ich meine, man kann nur schwer von einer anarchistischen
Bewegung in Iaşi sprechen, solange hier 10 oder 20 AnarchistInnen das
Maximum darstellen. Wir haben auch einen anarchistischen Blog
eingerichtet: www.federatia-anarhista.blogspot.com, mit dem Anspruch
mehr Informationen über den Anarchismus zu verbreiten. Die anderen
Antifas, die keine AnarchistInnen sind, stehen in einem guten
Verhältnis mit uns, doch sind sie nicht so involviert, so aktiv beim
Kampf gegen Faschismus oder Kapitalismus. Wie auch immer, wir
organisieren zusammen eine monatliche Food not Bombs-Aktion. Wir haben
auch einen Blog dazu eingerichtet, um mehr Informationen über
Anti-Militarismus und Vegetarismus darzustellen: :
www.hrananubombeiasi.blogspot.com
So viel wie wir wissen gibt
es keine Anarcho-Syndikalisten in dieser Stadt. Es gab eine Form des
Beginns einer anarcho-syndikalistischen Bewegung einige Jahre zuvor, in
einer Stahl-Fabrik dieser Stadt. Doch die Bewegung war mehr
syndikalistisch als anarchistisch. Wie auch immer, es war eine der
aktivsten und seriösesten syndikalistischen Bewegungen Rumäniens. Doch
die Bewegung kam im Jahre 2000 zu ihrem Ende, als der
Gewerkschaftsführer vor dem Eingang seines Wohnblocks von zwei Typen
mit einem Messer ermordet wurde. Es handelt sich um Virgil Sahleanu
welcher eine Menge Streiks und Demonstrationen organisierte. Es ist
sehr interessant daß die ND-Bewegung auch im Jahre 2000 gegründet
wurde, doch wir wissen nicht, ob es wirkliche Verbindungen zwischen dem
Neubeginn einer neolegionären Bewegung und dem Ende einer wirklich
starken syndikalistischen Bewegung gibt. Möglicherweise weiß der SRI da
einiges!
Jetzt trägt die Gewerkschaft in diesem Stahlwerk
seinen Namen. Die „Virgil Sahleanu Gewerkschaft“ und es gibt ein Buch
das über ihn Geschrieben wurde – „Die Geschichte der ersten Ermordung
eines Gewerkschafters in Rumänien“. Wir können nicht wirklich sagen ob
sie Anarcho-Syndikalisten waren. Als ein Beispiel: Als wir einmal diese
Gewerkschaft besuchten hatten sie eine schwarzrote Fahne. Doch als wir
sie fragten was es mit dieser auf sich hat (in der Hoffnung sie würden
sagen das es eine anarchistische Fahne ist), erzählte uns der
Gewerkschaftsfunktionär das diese Farben einfach nur indianische Farben
seien, eine Form von Symbolik, weil der Chef der Stahl-Fabrik – Arcelor
Mittal – ein Indianer sei.
Es gibt auch einige weitere
AnarchistInnen aus Iaşi die die Stadt verlassen haben – es ist sehr
offensichtlich weshalb. Jetzt sind einige von ihnen in Italien, einige
leben in besetzten Häusern in Österreich, einige sind in
Großbritannien. Es gibt nicht soviel Hoffnung für die anarchistische
Bewegung in Iaşi, doch wir versuchen unser bestes zu tun. Wir sind in
guten Beziehungen mit den AnarchistInnen von Cambridge und Sheffield in
Großbritannien und korrespondieren viel mit ihnen über email.
Es
ist wirklich hart hier Anarchist zu sein. Ich sage nicht dass es in
anderen westlichen Ländern einfacher ist, doch schlussendlich gibt es
dort mehr Menschen, die verstehen was Anarchismus ist. Wenigstens gab
es in diesen Ländern anarchistische VorgängerInnen (Beginnend mit 1848,
1871, 1900, 1968 etc.) und auch jetzt gibt es dort in den westlichen
Ländern mehr AnarchistInnen als hier. In Rumänien gab es keine
historische anarchistische Bewegung, nur einige isolierte Individuen
die AnarchistInnen waren oder anarchistische Gedanken hatten. Heute,
wenn du hier „Anarchie“ sagst, denkt jeder das dies Chaos bedeutet und
nichts anderes. Eine große Anzahl weiß nicht einmal was das ist –
Kapitalismus, was das ist, Faschismus und eine Menge von ihnen sind
Ignoranten und Heuchler. Und ich beziehe dies hier ausdrücklich auf die
Jugend.
Du wirst von der Polizei verfolgt wenn du einen
Aufkleber oder eine Ankündung klebst. Und wenn sie dich erwischen
schlagen sie dich zusammen. Zumindest aber musst du Strafe bezahlen.
Das gleiche passiert wenn du ein Graffiti anfertigst. Sie stoppen dich
auf der Strasse immer wenn sie dich sehen. Checken deinen Ausweis und
fragen dich dumme Fragen „Wie geht es ihnen, Mister“, „Wo gehst du
hin?“ „Woher kommst du?“. Selbstverständlich änderst du deinen
Personalausweis nicht täglich aber sie machen weiter damit, dich jeden
Tag aufzuhalten. Manchmal schreien sie hinter dir her „Heeeey. Mister X
(oder Mister Y, etc. Gewöhnlich kennen sie unseren vollen Namen und
unsere Adresse), pass heute auf, wir patrouillieren in dieser Gegend”.
Einige
von uns wurden auf der Straße festgenommen und zur Polizeiwache
gebracht. Dort wurden die Fingerabdrücke genommen und Fotos
angefertigt. Ihre Aktion begründeten sie damit, das in der Gegend ein
Raubüberfall stattgefunden hätte und wir verdächtig seien. Natürlich
gab es keinen Raubüberfall in der Gegend.
Als ein Beispiel. Am
16. Oktober wurden 5 von uns zur Polizeistation gebracht, weil wir
einige Flugblätter gegen McDonalds verteilten. Wir wurden zwei Stunden
lang auf der Station festgehalten. Sie behielten alle Flugblätter und
stellten uns viele Fragen. Danach ließen sie uns gehen.
An der
Schule oder in der Universität haben eine Menge Lehrer Spaß daran, den
Anarchismus lächerlich zu machen, wenn sie herausfinden dass es dort
einige anarchistische StudentInnen gibt. Eine Menge an Leuten will auch
nicht mehr mit dir reden wenn sie herausfinden dass du AnarchistIn
bist. Die meisten können sich eine Gesellschaft ohne Gott nicht
vorstellen! Das ist die Hauptsache, die sie ängstigt, dass wir
Atheisten sind. Die meisten von ihnen schätzen sich selber so ein das
sie nicht in der Lage sind ihr eigens Leben zu meistern und wirklich
einen Führer brauchen.
Auf der Demo, als ein Beispiel, fragte
ein große Anzahl „wer hat das organisiert? Wer ist euer Führer?“ und
ich versuchte ihnen zu erklären das es hier keine Führer gibt, das wir
AnarchistInnen sind, das wir alle das gemeinsam organisiert haben und
nicht eine einzelne Person. Hier gibt es keinen Chef, keinen Meister.
Doch die meisten von ihnen konnten das nicht verstehen; „Irgendwer muss
euch bezahlt haben“. „Irgendjemand steht hinter alledem“ sagten sie
gewöhnlich.
Syndikalismus.tk: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit eurer Arbeit!
quelle: http://syndikalismus.wordpress.com/2009/11/12/interview-mit-anarchistinnen-aus-iasi-rumanien/