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Moskauer Antifa auf Silvio-Meier-Demo 2009

(quelle: http://de.indymedia.org/2009/11/266817.shtml)

Dieses Jahr waren Moskauer Antifaschisten auf der
Silvio-Meier-Demo in Berlin anwesend. Es folgt eine Übersetzung des
Demo-Bericht eines Antifas, eine Zusammenfassung der Moskauer
Ereignisse des Wochenendes und die Übersetzung des Redebeitrags der
Moskauer Antifaschisten auf der Silvio-Meier-Demo.

3000 Demonstrant_innen gedenken in Berlin ermordeten Antifaschist_innen

 
Am
21. November 2009 gab es im Berliner Bezirk Friedrichshain eine
mehrstündige Demonstration im Andenken an Silvio Meier (der am 21.
November 1992 von Nazis an der U-Bahnstation Samariterstraße ermordet
wurde) und andere ermordete Antifaschist_innen.

Dieses Jahr
wurde natürlich auch des am Montag in Moskau erschossenen Ivan
Chutorskoj gedacht, Demonstrant_innen trugen Fotos und selbstgebastelte
Plakate mit Vanjas Namen, sowohl in kyrillischer als auch lateinischer
Schreibweise. Vor dem Beginn der Demo hielten Moskauer Antifaschisten
zweimal Redebeiträge vor den Versammelten (Text siehe unten).
Eine
solche Art von Demonstration ist keine schnelle Sache. Die Mahnwache im
U-Bahnhof Samariterstraße, wo Silvio Meier starb, war auf 15h angesetzt
worden. Die Versammelten zündeten Kerzen an und legten Blumen vor die
Gedenkplatte. Kurz vor 16h, als sich in der U-Bahnunterführung bereits
an die 200 Menschen drängten, begannen die Redebeiträge.
Antifaschist_innen aus Berlin, Madrid und Moskau traten vor das
Publikum.
Im Anschluss an die Mahnwache begaben sich alle aus der
U-Bahnstation nach oben, wo sich auf der Straße bereits an die 600
Demonstrant_innen versammelt hatten und immer mehr hinzu kamen. Etwa 20
Minuten später wurden wieder Redebeiträge gehalten und die Antifas aus
Moskau erhielten vor bereits ca. 1000 oder mehr Zuhörer_innen nochmal
das Wort.
Um 16.50h begann die Demonstration. Etwa 3000
Teilnehmer_innen (Zahlen von indymedia Deutschland) bewegten sich über
die schmalen und breiten Straßen des Bezirks Friedrichshain,
zwischendrin gab es mehrere Zwischenkundgebungen.Als wir uns der
Rigaerstraße näherten, wo es mehrere kollektive Wohnprojekte gibt, d.h.
Häuser, in denen Antifas, Anarchist_innen und Angehörige der autonomen
linken Szene Berlins leben, wurde auf den Dächern der Häuser Feuerwerk
gezündet. An gleicher Stelle gab es eine kurze Zwischenkundgebung.
Als
um ca. 19h die Demo offiziell aufgelöst wurde, begann die Polizei mit
ihren traditionellen Provokationen: eine größere Gruppe
Demonstrant_innen wurde eingekesselt, angeblich um Ausschreitungen zu
verhindern. Die aufgebrachten Leute fingen an, Parolen gegen die
Polizei zu skandieren, die Polizei hingegen setzte Gas ein und hetzte
Demonstrant_innen im Umkreis der Boxhagener / Ecke Niederbarnimstraße.
Das Ganze endete gegen 19.20h, als die Polizei mithilfe physischer
Gewalt alle Anwesenden aus diesen Straßen gedrängt hatte, wobei sie
keinen Unterschied machte zwischen Demonstrant_innen, Anwohner_innen,
Journalist_innen etc. und zynisch durch Lautsprecher allen einen
"angenehmen Abend" wünschte.

(…)

Weiter unten findet
ihr Fotos, die ich gemacht habe. Während der Demo gab es keine
Gelegenheit, um auf höher gelegene Flächen zu klettern (meine Aufgabe
war vor allem aber auch, meine Bezugsgruppe nicht zu verlieren, so dass
die Qualität der Fotos zu Gunsten eines besonnenen politischen Handelns
leiden musste), weshalb die Größe der Demo sich hier nicht zeigen
lässt. Dies ist jedoch anderen Fotograf_innen gelungen, die eher im
Zeichen der Kunst unterwegs waren.
Außerdem habe ich mit Absicht
keine Gesichter fotografiert, bzw. überhaupt keine Menschen oder eben
so, dass sie nicht zu erkennen sind.
In der modernen radikalen
Politik kommen bestimmte Dinge halt vor: erkannt zu werden bedeutet im
Knast zu landen, erkannt zu werden bedeutet ermordet zu werden.

All
das ist bereits am Samstag passiert, aber da ich in solchen Dingen ohne
Übung bin, bin ich nach dieser 4,5 stündigen Aktionen einfach umgekippt
und schreibe deshalb den Bericht erst heute.

In Moskau
hingegen wurde Antifaschist_innen am Sonntag verboten, eine
Gedenkdemonstration für Ivan Chutorsoj durchzuführen, was viel über die
politischen Präferenzen der Regierenden aussagt.
Aus diesem Grund
beschlossen an die 300 Antifas, Blumen am Grabmahl des unbekannten
Soldaten an der Kreml-Mauer abzulegen (einen eher symbolträchtigen Ort
haben sie sich auf die Schnelle anscheinend nicht ausdenken können).
Nichtsdestotrotz entschied sich ein Teil der Anwesenden, eine
unangemeldete Aktion durchzuführen, welche auch eine Blockade der
Mochovaja und Volchonka Straßen beinhaltete. Als besser geeigneten Ort,
um ihre Blumen niederzulegen, wählten diese 40 Aktivist_innen die
Stelle, an der Stanislav Markelov und Anastasia Baburova ermordet
wurden.

Eine ausgezeichnete Fotoreportage, welche die Blumenniederlegung beinhaltet findet sich im Blog von keltea:
keltea.livejournal.com/843326.html (rus)

Über die Straßenblockade und Fotos der Aktion:
www.avtonom.org/index.php?nid=2873 (rus)

Berichte über die Ermordung Ivan Chutorskojs und die darauf folgenden Protestaktionen gibt es bei indymedia:
ru.indymedia.org/feature/display/13342/index.php (rus)

Vlad Tupikin
22. November 2009, Berlin

Rede Moskauer Antifaschisten auf der Gedenkdemonstration zum Andenken Silvio Meiers und aller Opfer neonazistischer Gewalt

Den
heutigen Tag, den 21. November 2009, begehen wir im Andenken Silvio
Meiers und anderer Menschen, welche durch Neonazis getötet wurden.
Leider
haben auch wir in Russland Gründe, den Opfern neonazistischer Gewalt
gerade im November zu gedenken. Vor vier Jahren, am 13. November 2005,
wurde in St. Petersburg unser Freund und antifaschistischer Genosse
Timur Kacharava ermordet, diesen Montag, den 16. November 2009, wurde
in Moskau der Antifaschist Ivan Chutorskoj getötet. In den letzten 3,5
Jahren sind alleine in Moskau 7 Antifaschisten auf solche Weise
umgekommen.
Aber die antifaschistische Bewegung wächst. Auch aus
diesem Grund, weil sie mittlerweile offene Auseinandersetzungen mit
Antifas fürchten, sind Neonazis zu feigen Morden aus dem Hinterhalt
übergegangen, zu Schüssen in den Hinterkopf.
Vor kurzem berichtete
der russische Präsident Dmitrij Medvedev im deutschen "Spiegel" über
die Aufklärung der Morde an dem Rechtsanwalt und Antifaschisten
Stanislav Markelov und der Journalistin und Antifaschistin Anastasia
Baburova. Ja, deren Mörder sind gefasst. Ja, im letzten Jahr wurde die
Verfolgung neonazistischer Gruppierungen intensiviert. Aber die Zahl
der von Neonazis verübten Morde (die, welche in Erfahrung gebracht und
gezählt werden können), hat sich praktisch nicht verringert – 2008 sind
etwa 100 Fälle bekannt geworden und bereits 80 bis November 2009.
Außerdem
darf nicht vergessen werden, dass in den voran gegangenen Jahren die
Regierung Russlands und deren Propaganda viel für das Anwachsen von
Xenophobie, Nationalismus und die Stärkung der neonazistischen Szene
getan haben.
Es darf nicht vergessen werden, dass in den letzten
Jahren mindestens vier größere neonazistische Organisationen unter dem
direkten Schutz der Regierung gestanden haben: Die "Russische nationale
Einheit" (Русское национальное единство (РНЕ)), die
"National-Sozialistische Gemeinschaft" (Национал-социалистическое
общество (НСО)), die "Bewegung gegen illegale Immigration (Движение
против нелегальной иммиграции (ДПНИ)) und aktuell "Russkij obraz"
(Русский образ), die Organisation, zu der die am 04. November
verhafteten Mörder Markelovs und Baburovas gehören. Eben aus diesem
Grund haben Moskauer Antifas als Antwort auf die Ermordung Ivan
Chutorskojs das Büro von "Junges Russland" angegriffen, einer
marionettenhaften pro-Kreml-Jugendorganisation, welche gerade den
"Russkij obraz" deckelt.

Wie wir sehen, geht der nazistische Terror in Russland weiter.

Gerade
deswegen muss weiterhin Druck auf die russische Regierung aufgebaut
werden, damit sie aufhört, Nazi-Strukturen zu unterstützen, die
nationalistische Propaganda einstellt und sich ernsthaft auf die
Verfolgung nazistischer Mörder konzentriert.

Daran müssen wir
nicht nur an solchen Tagen denken, wie heute. Sondern auch dann, wenn
russische Politiker_innen nach Deutschland kommen, um ihre
Geldgeschäfte zu machen, Ausstellungen und Kinofestivals zu eröffnen
und dabei versuchen, Russland als normales demokratisches Land
darzustellen. Glaubt ihnen nicht!
Erinnert sie an die unaufgeklärten faschistischen Morde in Russland und an den weiterhin präsenten Nazi-Terror im Land.

Hoch lebe die internationale Solidarität der Antifaschist_innen!

Antifaschisten Moskaus
Berlin, den 21. November 2009, in der U-Bahnunterführung Samariterstraße, 15 Uhr.

 

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