Am 16. Mai demonstrierten die LGBT-Gemeinde und ihre Freunde in Riga,
der Hauptstadt Lettlands, und trotzten dem Widerstand, der ihnen von
rechtskonservativen Stadtratsmitgliedern und kirchlichen VertreterInnen
entgegenschlug.
Eine Mehrheit der Stadtratsmitglieder hatte im Vorfeld versucht, die
Parade verbieten zu lassen – vermutlich aus strategischen Gründen, denn
in Lettland hatte der Wahlkampf zu den Kommunal- und Europawahlen
begonnen. Was es über die Wählerschaft aussagt, wenn Ratsmitglieder
glauben, über solche Aktionen Stimmen gewinnen zu können, sei
dahingestellt. Die Parade wurde verboten, nachdem man dem
Stadtratsvorsitzenden Andris Grīnbergs, der die Demonstration zunächst
erlaubt hatte, drohte ihn zu entlassen, falls er diese Erlaubnis nicht
zurückziehen sollte.
Die lettische Gruppe Mozaika zog vor Gericht, als sie von der Absage
der Demonstration erfahren hatte. Vor Gericht wurde deutlich, was
vorher eigentlich bekannt war: Es gibt keine legale Grundlage für ein
solches Verbot. Das Benehmen von GegnerInnen der Demonstration im
Gerichtssaal war so bösartig, dass manche von ihnen aus dem
Gerichtssaal ausgewiesen werden mussten.
Die schwedische Ministerin für Integration Nyamko Sabuni übermittelte
bei einer Gesprächsrunde von Mitgliedern verschiedener Organisationen
Grüße ihrer Regierung. Unter anderem nahmen VertreterInnen von Amnesty
International, John Dalhusien, Marija Pevilionienne (Litauen), ein
Vertreter des Niederländischen Außenministeriums und zwei lettische
politische Organisationen teil. Letztere haben aber offensichtlich
derzeit nur wenig Gewicht.
Ministerin Sabuni erinnerte die ZuhörerInnen (einschließlich eines
Vertreters der Lettischen Regierung) daran, dass Diskriminierung
Menschen krank macht und dass Regierungen ihre Internationalen
Verpflichtungen einhalten müssen.
Die tatsächliche Haltung mancher lettischer PolitikerInnen offenbarte
sich, als während der Mittagspause einer der Vertreter der zwei
„unterstützenden“ Organisationen zwei norwegischen Frauen gegenüber
äußerte, dass es in Lettland keine Diskriminierung von LGBT-Personen
gäbe – außer wenn sie demonstrieren würden.
Am Nachmittag berichteten VertreterInnen der estnischen Gruppe „Gay
Youth“, der litauischen „Gay League“ sowie Kaspars Zālītis, ein
Vorstandsmitglied von Mozaika, über die Lage von LGBT in ihren Ländern.
Im Vorfeld des Umzugs kam es zu einigen homophoben Vorfällen: Neonazis
verhöhnten Besucher und schrieen in einem Kino herum, in dem LGBT-Filme
liefen.
Der Umzug wurde in einen umzäunten Park verlegt, welcher außerdem durch
einen Ring von PolizistInnen gesichert wurde. Augenzeugenberichten zu
Folge verhielten sich die BeamtInnen während ihres Einsatzes korrekt.
Während des Umzugs gewährleisteten Botschafter aus Dänemark, den
Niederlanden und dem Vereinigten Königreich durch ihre Anwesenheit beim
Marsch die Sicherheit der TeilnehmerInnen bis zu einem gewissen Grad.
Mit insgesamt 75 TeilnehmerInnen aus 23 europäischen Ländern war
Amnesty International sehr präsent. Mozaika dankte der
Menschenrechtsorganisation für die enge Zusammenarbeit.
VertreterInnen des Internationalen Sekretariats von Amnesty
International führten die Delegation an und sorgten durch die gute
Organisation für die Sicherheit der Amnesty-AktivistInnen. In einer
kurzen Einweisung wurde ihnen unter anderem empfohlen, die Amnesty
International T-Shirts erst im Park zu tragen und sich außerhalb dieser
abgeschirmten Demonstrationszone in kleinen geschlechtsgemischten
Gruppen zu bewegen.
Die größtenteils laut skandierende Gruppe der GegendemonstrantInnen
außerhalb der Parkzäune, die sehr aggressiv war, bestand unter anderem
aus der evangelikalen „New Generation“- Sekte. Ohne Zweifel waren
darunter aber auch Katholiken, inspiriert durch ihren Rigaer Erzbischof
Cardinal Jānis Pujāts, der für seine homophobischen Äußerung bekannt
ist.
Colin de la Motte-Sherman
quelle:http://www.mersi-amnesty.de/index.php?m=1&id=203&year=2009&&