In dem sich entfaltenden Konflikt unterstützen wir weder die ukrainische Regierung noch prorussische Gruppierungen, die ihre Macht in Teilen der Territorien Lugansk und Donezk sicherstellen. Den Interessen der Arbeitenden (d.h. denen, die keine Macht und kein Kapital haben) ist die Idee einer geeinten Ukraine genauso fremd wie die Idee einer „Föderalisierung“ oder die Errichtung neuer staatlicher Gebilde – das sind Spiele von Politiker*innen, für die das Blut gewöhnlicher Menschen vergossen wird. Wir, Linke und Anarchist*innen, müssen in erster Linie von den Bedürfnissen der Arbeiter*innenklasse in den von Krieg besetzten Gebieten der Ukraine ausgehen, von ihren Rechten und Freiheiten.
Gegen die Volksrepubliken Donezk und Lugansk!
Die Volksrepubliken Lugansk und Donezk sind eine Ansammlung verfeindeter rechter Militärjuntas. Keinerlei Rechte und Freiheiten, die in der restlichen Ukraine gegeben sind, sind in den von ihnen besetzten Gebieten vorhanden. Politische Aktivität ist in diesen Territorien nicht möglich; Arbeiter*innen-Aktivist*innen, die die Volksrepublik Donezk kritisiert haben, wurden entführt und gefoltert. In der Erhaltung dieses Regimes wird die Arbeiter*innenklasse jeglicher Möglichkeit beschnitten, legal ihre Rechte zu schützen. Das einzig mögliche Format der Aktivität „Linker“ in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk ist die Verehrung sowjetischer Symbole, die nichts mit den Interessen der Arbeitenden gemeinsam hat.
Die reaktionären Regime der Volksrepubliken haben kein Interesse an Frieden, ihr Ziel ist einer weiterführende Eskalation des Konflikts, was von den Erklärungen ihrer Anführer*innen mit Versprechungen wie „bis Kharkiv vorzudringen“, bzw. „bis Kiew“ oder „bis Lemberg“ bestätigt wird.
Gegen die ukrainische Regierung!
Die ukrainische Macht profitiert von den Waffenlieferungen, schickt Reservist*innen und halbausgebildete Wehrpflichtige an die Front des Bürgerkrieges und versucht, den anhaltenden Konflikt auszunutzen, um ihre Position zu festigen. Ungeachtet der aufgesetzten Rhetorik einer Einheit von „Macht“ und „Volk“ müssen wir uns erbarmungslos gegen alle Versuche einer Kürzung sozialer Sicherungen, politischer Rechte und Freiheiten, jeder Entfaltung polizeilicher und militärischer Brutalität, dem Aufheizen und Ausnützen von nationalistischem und religiösem Wahnsinn sowohl unter Militärangehörigen als auch unter dem restlichen Volk stellen. Krieg, das ist Anlass für eine Niederschlagung in politischer sowie sozialer Hinsicht. Im Kampf gegen die Agression des Putin-Regimes und seiner Satelliten sollte die Ukraine nicht die Bedrohung des Aufkommens eigener „Putins“ innerhalb des Landes vergessen.
Im Falle des Sieges über die „Separatist*innen“, deren Position ohne militärische Unterstützung von außen verdammt ist, wird sich das Regime in Kiew bedeutend festigen und erneut zur Hauptbedrohung für die Arbeiter*innenklassen werden. Wenn sich die Unterdrückten in einem gemeinsamen patriotischen Anflug mit der herrschenden Klasse vereinen, wird die Abkehr der Rechte und Freiheiten, den man durch den Maidan verhindern konnte, in der neuen Regierung verwirklicht werden. Es gibt jetzt in der neuen Macht Vertreter*innen konservativer und ultrarechter Parteien („Batkivshina“, VO „Svoboda“), die schon mehrere Male obskurante Gesetzesentwürfe vorgeschlagen haben, wie etwa die Wiedereinführung der Todesstrafe, Einschränkung der reproduktiven Rechte und präventive politische Haft; in ihren programmatischen Schriften wird zum Verbot politischer Streiks aufgerufen. Viele ihrer Initiativen sind Kopien von Initiativen des Putin-Regimes, der Partei der Regionen und der KPU. Obwohl die Ultrarechten jetzt niedrige Umfragewerte haben, werden sie trotzdem als legitimer Teil des politischen Feldes wahrgenommen.
Gegen Faschist*innen auf beiden Seiten der Front!
Wir sind kategorisch gegen jede Legitimierung von ultrarechten, nationalistischen und kriminellen Gruppierungen als Mitglieder von „Anti-Terror-Organisationen“. Dabei muss angemerkt werden, dass auf der anderen Seite der Front, auf Seiten der Volksrepubliken Donezk und Lugansk, Freiwillige aus europäischen faschistischen Organisationen und ultrarechte Reaktionäre aus Russland kämpfen, die die Kreml-Propaganda als „antifaschistische Kämpfer*innen“ verkaufen will.
Gegen das Anheizen des Krieges hinter der Maske des Pazifismus!
Für uns ist das Waffenrasseln und die Freude über getötete Gegner*innen genauso inakzeptabel wie pseudopazifistische Hirngespinste von Leuten, die die direkte Verantwortung für die Eskalation der Gewalt tragen. Pazifismus ist nicht mit der Unterstützung der Regime „Neurusslands“ oder ihrer Sympathisant*innen vereinbar, auch nicht mit der Unterstützung des ukrainischen Militarismus.
Gegen Lügen und Propaganda von beiden Seiten!
Der Informationsraum hat sich in ein regelrechtes Schlachtfeld verwandelt, die ukrainische und russische Bevölkerung bekommen inhaltlich entgegengesetzte aber gleichermaßen von Lügen und Propaganda durchzogene Information, was der Festigung kriegerischer Stimmungen auf beiden Seiten des Konfliktes dient, Arbeiter*innen gegeneinander aufhetzt und den Regierungen erlaubt, die soziale Unzufriedenheit in eine für sie ungefährliche Richtung zu lenken. Unter diesen Bedingungen ist es wichtig, nicht dem Strom zu folgen, der sich über die Nachrichten freut, die er hören will, sondern stattdessen einen nüchternen Verstand und Prinzipientreue zu bewahren. Nur Zeit kann helfen, ein richtiges Bild der Ereignisse wiederherzustellen.
Für die Entwicklung einer Arbeiter*innenbewegung!
Die Arbeiter*innenklasse in der Ukraine befindet sich in ihrem Kindesalter und nimmt nicht als Subjekt am Konflikt teil. Wir müssen Organisationen fördern, die die Interessen der Arbeitenden ausdrücken, eine soziale Tagesordnung formulieren und verteidigen. Nur eine starke Arbeiter*innenbewegung die ihre Interessen kennt wird fähig sein, Frieden in der Ukraine herzustellen.
Wir stellen uns gegen den Zwang zum Kriegsdienst, fordern eine Beendigung der Einberufung und die Freilassung aller Kriegsdienenden, die nicht kämpfen wollen.
Wir unterstützen Kampagnen, die den zur Flucht getriebenen aus von Krieg betroffenen Gebieten helfen, und sind bereit, Einzuberufene und Deserteure zu unterstützen, die aus ethischen und politischen Motiven den Dienst verweigern. AST-Kharkiv verwirklicht schon eine Kampagne zur Unterstützung Ausgewanderter in ihrer Region – wir rufen alle Libertären und Linken auf, sich anzuschließen, und das gleiche andererorts zu machen.
Wir drücken unsere Unterstützung und Solidarität mit Arbeiter*innen- und Gewerkschaftsinitiativen aus, die für ihre Arbeitsrechte kämpfen; genauso sind wir bereit, aktiv die zu unterstützen, die gegen die Volksrepubliken Donezk und Lugansk örtlich aus Klassenpositionen heraus kämpfen. Sie sind heute einer viel größeren Gefahr ausgesetzt, als Aktivist*innen aus der Zentral- oder Westukraine.