Kommentar von a3yo zum Artikel:
Das Verbot der Belgrad Pride durch die serbische Regierung ist nicht verwunderlich, nachdem in den letzten Tagen haufenweise Druck ausgeübt wurde und ganz unverholen Polizeigewerkschaft und Klerikalfaschisten gemeinsam gegenüber den Medien ihre Ablehnung präsentieren, führende serbische Politiker ihre Unfähigkeit vorschieben, um sich in unbequemen Fragen nicht positionieren zu müssen, erneut andauernd bewaffnete Konflikte an den Grenzen des Kosovo stattfinden und die Europäische Union ihr wichtigstes Druckmittel, die Beitritts-Karte in Zeiten der EU/Eurokrise unglaubwürdig werden lässt. Dies Ereignis ist nicht verwunderlich, da deutlich wird, dass es Politiker_innen und offiziellen Stellen ohnehin im Wesentlichen um Macht, Geld und Einfluss geht und nicht um das Wohl der Menschen, was aus anarchistischer Perspektive keine Neuigkeit darstellt. Dennoch ist es ein deutlicher Verlust für emanzipative Kräfte im Balkan und ganz Europa, dass dieses Kräftemessen diesmal verloren wurde.
(Quelle: http://www.thinkoutsideyourbox.net/?p=18992)
Die für den morgigen Sonntag, 2. Oktober geplante, Belgrade Pride wurde nun – trotz Druck der EU und internationaler Organisationen – von den serbischen Behörden untersagt. Damit zieht Serbien einen Schlussstrich um die Diskussionen der letzten Wochen, wo serbische Behörden die ParadenorganisatorInnen aufriefen, die Ausrüstung der Polizei zum Schutz selbst zu organisieren oder manche Polizeivertreter die PolizistInnen zur Krankmeldung aufriefen (thinkoutsideyourbox.net berichtete). Damit kapituliert Serbien vor der rechtsextremen und nationalistischen Szene Serbiens und der orthodoxen Kirche und tritt die Minderheitenrechte mit Füßen.
Noch gestern forderten die SoHO (Sozialdemokratie und Homosexualität) sowie die Grünen Andersrum Serbien auf, die Abhaltung der Belgrade Pride zu gewährleisten. Peter Traschkowitsch war gestern noch optimistisch, was die Abhaltung der Belgrade Pride betraf:
Der Dialog in Richtung Gleichberechtigung und Akzeptanz von Lesben, Schwulen und Transgender und intersexuellen Personen muss und wird auch in Serbien weitergehen, davon bin ich überzeugt. (…) Serbien hat sehr viele positive Signale am Weg in die EU gesetztu und ich appelliere eindringlich, weitere Signale zu setzen. (…) Die erfolgreiche Abhaltung der Belgrade Pride ist ein weiterer wichtiger Schritt Serbiens in Richtung EU.
Jennier Kickert von den Grünen forderte Serbien ebenfalls auf, die Abhaltung der Belgrade Pride zu gewährleisten:
Erfreulich ist, dass sowohl die serbische Regierung als auch die EU-Delegation und zahlreiche Botschaften der EU-Mitgliedsstaaten, auch die österreichische, sich hinter die OrganisatorInnen stellen und an der Parade teilnehmen wollen. (…) Die Aufforderung einiger radikaler Polizeivertreter, die Kollegen sollten sich krankmelden, ist verantwortungslos und zeigt auf, wie viel auch innerhalb der serbischen Behörden noch für den Schutz von Minderheiten zu tun ist. Internationale Unterstützung und politischer Druck sind jedenfalls gefragt. Die VeranstalterInnen der Belgrade Pride können sich sicher sein, dass wir solche Vorfälle nicht unkommentiert lassen.”
Darüberhinaus wurden angeblich auch alle weiteren für das Wochenende geplanten Veranstaltungen aus Sicherheitsgründen abgesagt, wie serbische Medien berichten. Nun wird die EU und die internationale Gemeinschaft viel zu kommentieren haben.
Kapitulation vor dem faschistischen Lager Serbiens
Serbien, das den Status eines EU-Beitrittskandidaten anstrebt, kapituliert damit vor den Rechtsextremen und Faschisten im Lande. Auch die orthodoxe Kirche in Serbien tritt vehement gegen Lesben und Schwule auf. Für Lepa Mladenovic (Labris, Frauen in Schwarz) ist die Absage der Belgrade Pride eine Kapitulation der serbischen Behörden vor dem faschistischen Lager.
Serbien sieht sich offensichtlich nicht in der Lage (oder gewillt) den Schutz der ParadenteilnehmerInnen in ausreichendem Maße bereitzustellen. Damit werden Lesben, Schwule und Transgender den demokratischen Grundrechten beraubt, nämlich der freien Meinungsäußerung und dem Versammlungsrecht, um für ihre Anliegen einzutreten.
2010 konnte die Belgrade Pride trotz gewaltbereiter und gewalttätiger Gegendemonstrationen abgehalten werden. Tausende PolizistInnen schützten die hunderten ParadenteilnehmerInnen (großteils erfolgreich) vor Übergriffen – aber nicht zu 100 %, denn gab es einige Verletzte. Dabei gingen die nationalistischen Gegendemonstranten sehr gewaltbereit gegen die Polizei los und attackierten diese mit Ziegelsteinen und Steinen. Nach der Parade wurde einer der Organisatoren in seiner Wohnung überfallen und brutal verprügelt. (thinkoutsideyourbox.net berichtete)
Mit der Absage der Belgrade Pride hat sich Serbien für den Status als EU-Beitrittskandidaten disqualifiziert und die Nichtwahrung der Menschen- und Minderheitenrechte wird im Fortschrittsbericht, der in den nächsten Tagen fertig erstellt sein wird, seinen ausführlichen Niederschlag finden (müssen), denn Menschenrechte sind nicht verhandelbar.
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siehe auch:
offizielle Seite der Belgrade Pride (es gibt kein offizielles Statement bisher)
ILGA-Europe condemns the ban of Belgrade Pride 2011
http://www.ilga-europe.org/home/news/latest_news/ban_belgrade_pride_2011