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Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag der Ermordung von Markelov und Baburova

(Quelle: http://akab.noblogs.org/post/2011/01/20/gegen-nazis-19-januar-2011/)

In den vergangenen Tagen fanden anläßlich des zweiten Todestages von Stanislaw Markelov und Anastasija Baburova zahlreich Veranstaltungen, Kundgebungen, Demonstrationen und andere Aktionen im Gedenken an die beiden von Nazis ermordeten Antifaschist_innen und andere Opfer von Nazigewalt statt. Dazu landesweit aufgerufen hatte das “Komitee 19. Januar”. Einen Überblick und kurze Beschreibungen der gestrigen Gedenkveranstaltungen gibt es auf dem Portal des russischen Indymedia, beim Analyse- und Informationszentrum Sova aus Moskau und dem Blog Solianka. Hier eine umfaßende Zusammenfassung der Ereignisse rund um das Gedenken an Stas und Nastja.

Der gestrige Tag begann mit einer spektakulären Veröffentlichung von Abhörprotokollen der Nazi-Terrorist_innen Nikita Tichonov und Evgenija Chasis, die im November 2009 im Zusammenhang mit der Ermordung von Stas und Nastja festgenommen wurden und sie schwer belasten. Der „Kommersant“ zitierte aus Mitschnitten, die nach der Tat in der überwachten Wohnung des Nazi-Pärchens gemacht wurden. Die beiden sollen Ende 2008 mit anderen unbekannten Nazis eine Gruppe gebildet haben, welche die Ermordung von Markelov organisierte und durchführte. Hierbei soll von Beginn an daran gedacht worden sein, den Verdacht auf den Offizier Budanov zu lenken, gegen den Markelov wegen Verbrechen in Chechnja ermittelte und prozessierte.

Aus den Mitschnitten läßt sich der Tathergang wie folgt rekonstruieren: Chasis überwachte Markelov. Am Tag des Mordes folgte Tichonov Stas und erschoß ihn sowie die zufällig anwesende Nastja und flüchtete unerkannt in die Metro. Chasis dagegen beobachtete den Mord und blieb so lange, bis sicher war, daß Markelov tot ist. Sie konnte von einigen Zeug_innen offenbar beschrieben werden.

Die „Novaja Gazeta“ (NG) widmete sich gestern ebenfalls der Aufarbeitung des Mordes und veröffentlichte einige interessante Details. Diese bestätigen, daß die von „westlichen“ Medien und den staatlichen Ermittlungsorganen favorisierte Spur nach Chechnja völlig abwegig war. So berichtet die NG, daß schon am 15. Februar – also nur wenige Tage nach dem Mord – eine e-Mail unterschrieben mit „Boevaja Organisacija Russkikh Nacionalistov“ (Kampforganisation Russischer Nationalisten, BORN) einging, in dem sich die Gruppe zur „Vernichtung“ von Markelov und Baburova sowie zur Ermordung von Fjedor Filatov und einer weitere militanten Aktion bekannten. Eine Gruppe unter diesem Namen, so betont NG allerdings, existiert nicht, sondern BORN ist lediglich ein Label für verschiedene militante Gruppen Autonomer Nationalist_innen und Nazi-Terrorist_innen. NG beschreibt außerdem, im Gegensatz zum „Kommersant“, daß es zahlreiche Zeug_innen und Videos gab, die auf Tichonov als Mörder hinwiesen. Ein weiteres wichtiges Detail ist, daß Nastja den Nazis sehr wohl aus Prozessen und antifaschistischen Aktionen bekannt war. Die Ermittlungen zum Mord laufen übrigens noch weiter, trotz der Eröffnung des Straf-Verfahrens gegen Tichonov und Chasis.

Aber kommen wir jenseits der juristischen Aufarbeitung des Mordes zu den Gedenkveranstaltungen in Russland und anderen Ländern. Die große Zahl der Kundgebungen, Demonstrationen, kulturellen Veranstaltungen und Streetart dürfte die Nazis ganz besonders nerven. In westlichen Medien ist davon allerdings wenig angekommen. Schließlich kommt Öl / Gas,  Putin / Medwedjew oder “Tschetschenien” nicht vor.

Aktionen in Moskau

In Moskau fanden zwei Kundgebungen und am Abend eine Demonstration statt an denen sich ein breites Spektrum von Antifaschist_innen, Anarchist_innen, Politiker_innen und Menschenrechtler_innen beteiligte. Auf dem Petroskij Boulevard versammelten sich ca. 700 Menschen hinter einem Banner mit der Aufschrift „Seit vielen Jahren sterben hunderte Menschen durch Naziterror. Erinnern heißt kämpfen“. Neben dem Transparent hielten Aktivist_innen Portraits von Opfern von Nazigewalt. Die Sicherheitskräfte hielten sich bei der Kundgebung zurück. Allerdings wurden ca. 30 Aktivist_innen auf dem Weg zur Veranstaltung von paramilitärischen OMON-Beamt_innen festgehalten.

Bei der zweiten Kundgebung auf dem Chistoprudnom Boulevard versammelten sich mindestens 1.000 Menschen. Wieder wurden die Portraits der Opfer und das Banner gezeigt. Nach der Rede des „Komitees 19. Januar“ wurde die Veranstaltung ohne Angabe von Gründen durch Sicherheitskräfte aufgelöst. Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Circa 50 Menschen wurden festgenommen und nach Aufnahme der Personalien wieder freigelassen.

Am Abend kamen mindestens 1.000 Menschen (Veranstalter sprechen von 2.500) zum Puschkinplatz um sich am Gedenkmarsch an Stas Markelov und Nastja Baburova zu beteiligen. Wie Echo Moskvy berichtet wurden nach einer Schweigeminute 50 weiße sogenannte chinesische Himmelslaternen entzündet und stiegen in den Nachthimmel auf. Danach verlas ein_e Vertreter_in des „Komitee 19. Januar“ eine Rede in Erinnerung an Stas und Nastja sowie über die aktuelle Situation zunehmender xenophober Übergriffe und massiver Repression gegen antifaschistischen Protest. An der Demonstration beteiligten sich neben Antifaschist_innen auch Menschenrechtler_innen und Vertreter_innen der “Linken Front” sowie Aktivist_innen von Transparency International.

Die Demonstration wurde durchgehend, wie „Kommersant“ berichtet, von paramilitärischen OMON-Einheiten und Polizist_innen begleitet.Dennoch konnten an der Spitze der Demo Pyros gezündet werden. Die Parolen richteten sich speziell gegen die zunehmend von kremlnahen Jugendorganisationen und Partein hofierte militante Nazi-Gruppe „Russkij Obraz“, die für die Ermordung von Stas und Nastja verantwortlich gemacht wurde. Am Ende der Demonstration wurden mindestens 20 Menschen festgenommen, weil sie Feuerwerk gezündet und sich vermummt hatten (bei -10 Grad scheinbar besonders ungewöhnlich, wie auch Solianka zu bedenken gibt).

Eine kleinere Gruppe von circa 50 Aktivist_innen setzte sich außerdem offenbar zu Beginn des Gedenkmarsches ab, blockierten zunächst die Pjatnickaja Straße und liefen eine eigene Route ohne Polizeibegleitung – lautstark skandierend und ebenfalls mit Pyros ausgestattet. Ein_e Teilnehmer_in der Sponti äußerte gegenüber dem „Kommersant“, das mensch Solidarität auf verschiedene Art ausdrücken kann. „Am Jahrestag des Todes unserer Freunde wollen wir die frechen Fressen der Polizist_innen und der Sondereinheiten am allerwenigsten sehen.“ Diese Aktion verlief ohne Einmischung der Sicherheitskräfte. Keine_r der Aktivist_innen wurde verhaftet.

Aktionen in anderen Städten

In St. Petersburg fanden über den Tag verteilt ebenfalls mehrere Aktionen statt. Während einer Pressekonferenz von Menschenrechtler_innen der Organisation „Memorial“ zu Ehren von Markelov und Baburova wurde der Anstieg des Nazismus und Faschismus in Russland thematisiert und eine gemeinsame Erklärung verlesen. Während einer nichtgenehmigten  Demonstration in Erinnerung an die Opfer von Nazigewalt am Vormittag wurden mindestens 4 Aktivist_innen verhaftet. Am Abend fand außerdem eine Kundgebung statt zu der circa 200 Menschen kamen. Es wurden die Portraits der Ermordeten und Kerzen aufgestellt. Außerdem zeigten Video-Aktivist_innen Fotos und Filmschnipsel ermordeter Antifaschst_innen und anderer Opfer von Nazigewalt. Die Kundgebung wurde, im Gegensatz zur Demonstration, von Sicherheitskräften nicht weiter belästigt.

In Cheljabinsk, im Süden des Ural, fanden zwei Veranstaltungen in Erinnerung an die Ermordung von Markelov und Baburova statt. Zu einer Kundgebung versammelten sich ca. 60 Menschen. Die Polizei störten sich an den Aufschriften der Schilder und zwang die Anwesenden die Portraits der anderen ermordeten „Antifaschist_innen“ – außer Markelov und Baburova – zu entfernen. Schon am 16. Januar fand eine Kundgebung unter dem Motto „Es reicht des Bluts auf unseren Straßen“ statt, zu der ca. 50 Menschen kamen. Die Sicherheitskräfte beschlagnahmten zunächst die Portraits ermordeter Antifaschist_innen, rückte sie aber nach Rücksprache mit den Veranstalter_innen wieder raus. Die Teilnehmer_innen trafen sich am Denkmal „Orlenok“ (zum Mythos des Orlenok siehe hier) am Rand des „Park des Sieges“, hielten eine Schweigeminute ab, legten Blumen nieder und hielten Gedenkreden.

In Ekaterinenburg, ebenfalls auf der östlichen Seite des Ural, versammelten sich mindestens 30 Antifaschist_innen und anderer emanzipatorischer Gruppen zu einer Demonstration durch die Stadt unter dem Motto „Wir sind gegen Faschismus“. Die Teilnehmer_innen trugen ebenfalls die Portraits ermordeter Antifaschist_innen und anderer Opfer von Nazigewalt, entzündeten Pyros, skandierten Parolen sowie verteilten Flyer des „Komitee 19. Januar“. Sicherheitskräfte versuchten mindestens drei Menschen festzunehmen. Außerdem fand in Ekaterinenburg eine Kundgebung statt, die vom örtlichen „Memorial“-Verband organisiert wurde (hier ein Video).

In Petrosavodsk (Karelien) versammelten sich ca. 60 Menschen zu einer Gedenkkundgebung. Es wurden die Portraits der Ermordeten aufgestellt und Kerzen entzündet. Die Sicherheitskräfte intervenierten und es kam zu Rangeleien mit den Aktivist_innen. Danach fand eine (Spontan-) Demonstration durch das Zentrum statt, während der Flyer verteilt wurden. Im nordrussischen Murmansk fanden sich einige Aktivist_innen vor dem Schauspielhaus auf dem Lenin-Prospekt ein, stellten Kerzen sowie Portraits der Ermordeten auf. Außerdem wurden Flyer verteilt. In Kazan fand eine Foto- und Videoaustellung in Erinnerung an Markelov und Baburova statt. Im südlichen Chabarovsk trafen sich Antifaschist_innen am Denkmal des „Ewigen Feuer“ und stellten Fotos der Ermordeten auf. In Sotchi, auf der Krim, erinnerte eine Gruppe von Antifaschis_innen mit Blumen an die Ermordung und verteilten Flyer. Außerdem sprayten Antifaschist_innen in verschiedenen Orten der Halbinsel Graffiti zum Gedenken Stas und Nastja. In Izhewsk fanden am 17. und am 19. Januar Gedenkveranstaltungen statt. Am 17.1. verteilten Aktivist_innen von „Food not Bombs“ (Eda vmesto bomb) warmes Essen und verteilten Flyer. Am 19.1. versammelten sich Anarchokommunist_innen der Bewegung „Avtonomnoe Dvizhenije“ am „Ewigen Feuer“ zu einer Schweigeminute.

In Samara versammelten sich mindestens 20 Antifaschist_innen im „Park des Sieges“ zu einer nichtangemeldeten Kundgebung mit einem Tranparent „Faschismus vergeht nicht“ (Faschism ne proidjet), entzündeten Pyros und riefen Parolen. In Saratow, an der Wolga trafen sich einige Antifaschist_innen in Erinnerung an die Ermordung. Außerdem trafen sich örtliche Journalist_innen zu einem „runden Tisch“ zum Jahrestag der Ermordung von Markelov und Baburova sowie verabschiedeten eine Solidaritätserklärung mit den Aktionen zum 19. Januar. In Kirow, ebenfalls an der Wolga, versammelten sich Antifaschist_innen zunächst am Denkmal für die Opfer politischer Repression und erinnerten mit Fotos, Kerzen und Blumen an Markelov und Baburova. Danach zogen sie zur Kundgebung. Dort enthüllten sie ein Transparent in Erinnerung an den ermordeten Antifaschisten Ivan Chutorskoj. Nach der Rede der Organisator_innen riefen diese zu einer antifaschistischen Demonstration am Abend auf. Bis jetzt ist unklar, wie die Sicherheitskräfte sich verhalten werden. Weitere Kundgebungen und Demonstrationen gab es in Jaroslavl, Tjumen, Ufa, Belgorod, Perm und in Volgograd.

Aktionen außerhalb von Russland

Solidaritätsaktionen gab es aber auch außerhalb von Russland. In Kopenhagen hängten antifaschistische Aktivist-innen ein Transparent gegen Nazi-Gewalt in Russland auf. In Kiew versammelten sich ca. 60 Antifaschist_innen und andere Aktivist_innen vor der Russischen Botschaft um die ermordeten Markelov und Baburova zu erinnern. Sie befestigten Schilder am Zaun der Botschaft und skandierten Parolen. Auch in Polen wurde an den Tod von Stas und Nastja mit einer Gedenkkundgebung und Transparenten erinnert. Unter dem Motto „Solidarität ist unsere Waffe“ versammelten sich Anarchist_innen vor dem Russischen Konsulat der Stadt, verteilten Flyer und wollten einen offenen Brief an die Botschafter_innen übergeben, die sich allerdings nicht zeigten.

Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus gibt es allerdings nicht nur in Russland. Allerdings haben es Antifaschist_innen in Osteuropa und insbesondere in Russland schwer die Zivilgesellschaft für eine Engagement gegen Nazis zu sensibilisieren. Seit Jahren schüren die Regierungen und ihr Apparat nationalistische Exklusionen und Xenophobie um ihre eigene Macht zu stärken. Solidarität ist wichtig und notwendig!

Naziterror stoppen! Überall!
Vereint sind wir unschlagbar!

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